Künstliche Delfinhaut soll Schiffe effizienter machen

Künstliche Delfinhaut soll Schiffe effizienter machen

Mit „Hai-Tech“ wird seit Jahren experimentiert. Bei einer neuen Methode zur Senkung des Widerstands von Schiffsrümpfen dienen nun Delfine als Vorbild.

Ganz so geschmeidig wie Delfine gleiten Schiffe bisher nicht durch die Meere. Das könnte sich bald jedoch ändern. Denn Forscher haben sich das Prinzip abgeguckt, mit dem die Haut der eleganten Schwimmer Reibung vermeidet. Mit künstlichen Materialien haben sie es nachgeahmt. Erste Versuche im Wasserkanal zeigen, dass eine solche Beschichtung am Rumpf eines Schiffes den Strömungs-Widerstand um bis zu sechs Prozent verringern könnte. Im nächsten Schritt soll versucht werden, die Technologie für die industrielle Anwendung nutzbar zu machen.

Anders als Haifischhaut, bei der feine Rillen das vorbeiströmende Wasser in gezielte Bahnen lenken, ist die Haut der Delfine sehr glatt. Das Geheimnis liegt direkt unter der Oberfläche: eine flexible Speckschicht, die Ansätze von Turbulenzen durch Gegenbewegungen ausgleicht. Auf diese Art wird eine laminare Strömung entlang des Körpers erhalten – das reduziert den Widerstand. Diesen Effekt erreicht auch eine vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) entwickelte künstliche Delfinhaut.

Bei den Tests im Wasserkanal der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) sei der Delfinhaut-Effekt zum ersten Mal überhaupt an einem schiffsförmigen Körper dargestellt und nachgewiesen worden, sagt der am Fraunhofer IFAM zuständige Projektleiter Volkmar Stenzel. „Damit ist das Prinzip aber bei Weitem noch nicht ausgereizt, denn wir haben in dem Versuch nur einen geringen Teil des Modells mit dem neuen Material beschichtet. Was realistisch am Ende machbar sein wird, kann man heute noch nicht seriös sagen.“

Um geeignete Schichtdicken und viskoelastische Parameter für künstliche Delfinhäute zu ermitteln, führten Wissenschaftler der HSVA und der Technischen Universität Hamburg für ein knapp sechs Meter langes Schiffsmodell zunächst Strömungsberechnungen durch. Nach diesen Vorgaben wurde am Fraunhofer IFAM ein gelartiges, elastisches Polymer entwickelt und in Schichtdicken von jeweils einigen Millimetern an auswechselbaren Bugsegmenten des Modells aufgetragen. Eine dünne, mechanisch stabile Folie simulierte die feste „Oberhaut“.

Wirkung nimmt bei höherem Tempo zu

Nach Angaben des Fraunhofer IFAM wurde „die theoretische Vorhersage bestätigt, dass sich mit zunehmender Schichtdicke die Reibung entlang der künstlichen Delfinhaut verringert“. Zudem habe sich eine Vergrößerung des positiven Effekts mit wachsender Geschwindigkeit gezeigt, heißt es in einer Pressemitteilung. Dies sei ein klares Indiz dafür, dass die Wirkungsweise der nachgiebigen Beschichtung tatsächlich auf einer Verzögerung des Strömungsumschlags zur Turbulenz beruhe.

Bis die ersten Schiffe mit einer künstlichen Delfinhaut unterwegs sind, könnten allerdings noch einige Jahre vergehen. Für Anwender müsse sichergestellt sein, „dass ein Beschichtungsmaterial einen Dockzyklus überlebt, also keine zusätzlichen Dockungen notwendig sind“, sagt Stenzel im Interview mit Green Shipping News. Die Messlatte für die kommerzielle Schifffahrt liege hier bei etwa fünf Jahren. „Das bedeutet, dass nach abgeschlossener Materialentwicklung entsprechend lang dauernde Tests notwendig sind, bevor eine neue Beschichtungstechnologie wirklich marktreif ist.“

Versuche mit echten Schiffen geplant

In der Branche habe das Projekt in jedem Fall schon großes Interesse geweckt, sagt der Experte – bei Werften, Reedereien und auch bei Lackherstellern. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt „Flipper“ sei mit dem Nachweis der Wirksamkeit der Technologie zwar abgeschlossen. Gemeinsam mit Industriepartnern gebe es im Rahmen eines Folgeprojekts aber bereits Pläne für den nächsten Schritt: die Übertragung auf ein größeres Schiff, das dann etwa in der Nordsee getestet werden könnte.

„Die Übertragung auf ein Containerschiff oder Kreuzfahrtschiff oder Ähnliches bedingt natürlich völlig andere Verfahren für die Beschichtungstechnik, die noch entwickelt werden müssen“, betont Stenzel. „Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der Forderung, dass eine Beschichtung eine Haltbarkeit von einigen Jahren aufweisen soll. Hier ist noch einiges an Materialoptimierung zu leisten – auch im Hinblick auf den Bewuchsschutz, der natürlich auch gewährleistet sein muss.“

Delfinhaut und Haifischhaut in Kombination

Die mit dem Prinzip der Delfinhaut möglichen Treibstoff-Einsparungen wären für die maritime Branche nicht nur wirtschaftlich sehr interessant. Sie würden zugleich die Umweltbilanz deutlich verbessern. Ein besonderes Potenzial ergäbe sich nach Angaben des Fraunhofer IFAM durch eine Kombination der künstlichen Delfinhaut im Bugbereich des Schiffes mit einer der Haifischhaut nachempfundenen, gerillten Beschichtung im hinteren Bereich.

„In einer derartigen Kombi-Beschichtung würde die künstliche Delfinhaut zur laminaren Strömungskontrolle im Bugbereich des Schiffes in eine künstliche Haifischhaut zur turbulenten Strömungsbeeinflussung im Mittel- und Hinterschiff übergehen“, heißt es. Der Vorteil gegenüber aktiven Systemen zur Strömungskontrolle liege darin, dass sich die Wirkung dieser Beschichtungen ohne zusätzlichen Einsatz von Energie entfalte.