Der grobe Fahrplan steht: Bis 2050 will die Schifffahrt ihre Treibhausgas-Emissionen um mindestens 50 Prozent senken. Viele Details bleiben aber noch zu klären.
Auf die Auslegung des Wortes „mindestens“ wird es künftig wohl ganz wesentlich ankommen. Um den Kurs der maritimen Branche an die Klimaziele von Paris anzupassen, hatte ein „progressives Bündnis“ ein radikales Umdenken gefordert. Einige Staaten stellten sich jedoch quer. Am Ende der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO konnte immerhin ein Kompromiss verkündet werden: „mindestens“ 50 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis Mitte des Jahrhunderts. Vertreter der Reedereien feiern dies als großen Erfolg. Andere werten es zumindest als Schritt in die richtige Richtung.
IMO-Generalsekretär Kitack Lim rief im Marine Environment Protection Committee (MEPC) in London dazu auf, den neuen Klimaschutz-Fahrplan als „Plattform für weitere Maßnahmen“ zu nutzen. Ähnlich wie die Luftfahrt wurde die Schifffahrt beim Klimaschutz-Abkommen von Paris im Jahr 2015 ausgeklammert – obwohl die Branche etwa so viel CO2 produziert wie ganz Deutschland. Kritiker werfen der IMO vor, ambitionierte Ziele immer wieder blockiert zu haben. Die EU drohte für den Fall eines Scheiterns der MEPC-Verhandlungen bereits mit eigenen Regelungen.
Ob der nun erzielte Kompromiss ausreichen wird, um regionale Alleingänge zu verhindern, bleibt abzuwarten. Die Clean Shipping Coalition bemängelte das „Fehlen eines klaren Handlungsplans“ zur Einhaltung der Klimaziele. Das gelte auch für dringend benötigte Sofortmaßnahmen. „Wir haben eine wichtige Vereinbarung erzielt. Und das Niveau der Ambitionen wird letztlich einen branchenweiten Umstieg auf neue Treibstoffe und Antriebstechniken erfordern. Vieles hängt nun aber von den nächsten Schritten ab“, sagte John Maggs, Leiter der Koalition, die bei der IMO einen Beobachterstatus hat.
Der internationale Reederverband Bimco bezeichnete die am 13. April verkündete Einigung als „Meilenstein“, den sich andere Branchen zum Vorbild nehmen könnten. Der deutsche Reederverband VDR sprach von einem „bedeutenden historischen Schritt“, verwies aber zugleich auf die damit verbundenen Herausforderungen. „Wir brauchen eine Innovationsoffensive in Forschung und Entwicklung, vor allem bei alternativen Brennstoffen und Antriebssystemen“, sagte VDR-Präsident Alfred Hartmann. „Regierungen weltweit müssen gemeinsam mit der Branche arbeiten und finanzielle Ressourcen für diese technologische Revolution bereitstellen.“
Neben Umweltverbänden und einigen EU-Ländern sowie Inselstaaten im Pazifik hatte sich im Vorfeld der MEPC-Sitzung auch der internationale Hafenverband IAPH für noch höhere Klimaziele eingesetzt. „Während sie zwar von der Schifffahrt leben, sind viele Häfen zugleich in besonderer Weise vom Klimawandel bedroht“, sagte Patrick Verhoeven, der den Verband bei der Sitzung vertrat. Die Einigung sei „ein Kompromiss, den wir unterstützen können“ – wenngleich es sich lediglich um einen „wichtigen ersten Schritt“ handle, sei nun ein „deutliches Zeichen“ gesetzt worden.
Die Forderung des „progressiven Bündnisses“ war eine Senkung des CO2-Ausstoßes der globalen Schifffahrt um 70 oder gar um 100 Prozent bis 2050 – als Referenz gilt jeweils das Jahr 2008, als die maritime Branche noch boomte. Die Clean Shipping Coalition betonte, dass mit der Einigung aufgrund des Zusatzes „mindestens“ auch die ambitionierteren Ziele nicht vom Tisch seien. Die Vorreiter-Staaten sollten daher auch weiterhin Druck ausüben, damit eine vollständige „Dekarbonisierung“ bis zur Jahrhundertmitte möglich bleibe.