Die IMO will neue Regeln zum Schutz des Nordpolarmeers einführen. Umweltverbände warnen jedoch, dass „Schlupflöcher“ die Umsetzung bis 2029 hinauszögern könnten.
In der Abgeschiedenheit des Arktischen Ozeans ist jeder Austritt von schmutzigem Schweröl verheerend. Zugleich sind die bei der Verbrennung freigesetzten Rußpartikel in dieser Region besonders schädlich. Deswegen fordern Organisationen wie die Clean Arctic Alliance seit Jahren ein generelles Verbot von Schweröl – als Treibstoff wie als Ladung. Ein erster Schritt in diese Richtung ist nun in die Wege geleitet. Der von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO vorgelegte Entwurf ist allerdings umstritten.
In einer Sitzung des zuständigen IMO-Gremiums (Sub-Committee on Pollution Prevention and Response) in London wurde vereinbart, dass Schiffe in der Arktis ab dem 1. Juli 2024 kein Schweröl mehr an Bord haben sollen. Die vorgeschlagene Änderung des internationalen Regelwerks wird als Nächstes im Oktober im Umweltausschuss MEPC (Marine Environment Protection Committee) diskutiert. Im Frühjahr 2021 könnte sie dann verbindlich verabschiedet werden.
Die Clean Arctic Alliance begrüßte zwar die Initiative der IMO, zeigte sich angesichts einiger im Text eingebauter „Schlupflöcher“ aber dennoch empört. Es sei „skandalös“, dass Mitgliedstaaten bereit seien, weitere Verzögerungen zu akzeptieren, heißt es in einer Stellungnahme. Durch die im vorgelegten Entwurf enthaltenen Regelungen würden die arktischen Gewässer für fast zehn weitere Jahre den vom Schweröl ausgehenden Gefahren ausgesetzt.
Tatsächlich plant die Unterorganisation der UN bei ihrem Verbot zunächst mehrere Ausnahmen. Zum einen sollen Schiffe, die unter der Flagge eines an das Nordpolarmeer angrenzenden Staates fahren, einen Aufschub bis Juli 2029 erhalten. Gleiches ist für Schiffe vorgesehen, die einen doppelten Rumpf oder geschützte Treibstofftanks haben. Auch solche Schiffe, die im Rahmen von Such- und Rettungsaktionen oder zur Beseitigung von Ölverschmutzungen im Einsatz sind, sollen von dem Verbot unberührt bleiben.
Laut Einschätzung der Clean Arctic Alliance betreffen die Ausnahmen insgesamt mehr als drei Viertel des aktuell in der Arktis verwendeten Schweröls. Da für die kommenden Jahre wohl mit einer Zunahme des Schiffsverkehrs in der Region zu rechnen sei, drohe sogar eine Verschlechterung der Situation, betonen die Aktivisten. Die IMO-Staaten müssten deswegen dafür sorgen, dass der Zeitrahmen für die Einführung des Verbots verkürzt und die „Schlupflöcher“ geschlossen würden.
Sollte es im Arktischen Ozean zu einem größeren Austritt von Schweröl kommen, wäre eine Reinigung des Meeres nach Einschätzung von Experten wegen der Abgeschiedenheit praktisch unmöglich. Die Umweltorganisation Nabu, die zu den Mitgliedern der Clean Arctic Alliance zählt, verweist zudem auf die von den Ruß-Emissionen verursachte Beschleunigung der Eisschmelze. Schon beim Inkrafttreten des „Polar Code“ Anfang 2017 war die IMO wegen des Verzichts auf ein Schweröl-Verbot kritisiert worden.