Ob für Kreuzfahrtschiffe oder Container-Frachter – Flüssigerdgas etabliert sich als alternativer Treibstoff. Doch es gibt noch einige Herausforderungen.
Lange schien die Branche zu zögern, nun zeichnet sich allmählich ein Durchbruch ab: Die Pioniere beim Einsatz von LNG als Schiffstreibstoff berichten fast durchweg von positiven Erfahrungen. In den deutschen Reedereien und Werften häufen sich daher die Pläne für entsprechende Neubauten oder Umrüstungen. Das zeigte ein Workshop zum Thema im Maritimen Kompetenzzentrum (Mariko) in Leer. Nachholbedarf sehen viele Experten bei der Infrastruktur zur Betankung in den Häfen. Große Hoffnungen ruhen hier auf einer neuen LNG-Förderrichtlinie des Bundes.
Zu den LNG-Vorreitern in Deutschland zählt die Reederei AG Ems, die 2015 die Borkumfähre „Ostfriesland“ als erstes Schiff bundesweit auf die umweltfreundliche Antriebsart umrüsten ließ. Im vergangenen Jahr folgte die „Helgoland“ als der erste Schiffsneubau mit LNG-Antrieb unter deutscher Flagge. „Die Kinderkrankheiten haben wir inzwischen abgearbeitet“, sagte Claus Hirsch, technischer Inspektor der AG Ems, in Leer. Die Wartung sei bei der „Ostfriesland“ nicht intensiver als vorher. Zudem könne jeder Fahrgast sehen, dass die Fähre nicht mehr so stark ruße, weil LNG deutlich abgasärmer und sauberer verbrenne.
Im Bereich der Container-Schifffahrt geht die Reederei Wessels mit gutem Beispiel voran. Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur rüstet das Unternehmen den Frachter „Wes Amelie“ von Schweröl auf LNG um. Das 2011 gebaute Feeder-Schiff mit einer Kapazität von 1000 TEU verkehrt überwiegend auf Routen in Nord- und Ostsee. Nach Angaben des Ministeriums wurde bei dem Projekt explizit auf Skalierbarkeit geachtet. Da es insgesamt 23 Schwesterschiffe der „Wes Amelie“ gebe, davon 16 baugleich, seien gesammelte Erfahrungen leicht auf Folgeprojekte übertragbar.
Christian Hoepfner von der Reederei Wessels betonte in Leer, dass der Bau eines Schiffes mit LNG-Antrieb 20 bis 30 Prozent teurer sei als der Bau eines Schiffes mit herkömmlichem Antrieb. Ohne eine Förderung sei daher vor allem eine Umrüstung kaum realistisch. Als Vertreter des Ministeriums gab Achim Wehrmann im Mariko einen Ausblick auf die neue Förderrichtlinie des Bundes, die in Kürze umgesetzt werden soll. Die Umbauten an der „Wes Amelie“ sind nach Angaben der Reederei für diesen Mai auf der Bremerhavener Werft GDD geplant.
Auch die Kreuzfahrt-Branche investiert in LNG
Das Experten-Forum im Mariko machte unterdessen deutlich, wie vielfältig einsetzbar der alternative Treibstoff ist. Schon in wenigen Jahren wollen mehrere Kreuzfahrt-Unternehmen „umweltfreundliche Urlaubsreisen“ auf Schiffen mit LNG-Antrieb anbieten. Am 21. Februar, kurz nach der Veranstaltung in Leer, startete gut 20 Kilometer weiter südlich auf der Meyer-Werft in Papenburg der Bau des weltweit ersten LNG-Kreuzfahrtschiffes für Aida Cruises. Bereits im Herbst 2018 soll der Ozeanriese ausgeliefert werden. Ein zweites Exemplar der neuen Schiffsklasse ist für Anfang 2021 geplant.
Auch Royal Caribbean Cruises hat angekündigt, die eigene Flotte um zwei mit Flüssigerdgas angetriebene Kreuzfahrtschiffe zu erweitern – diese sollen bis 2022 bzw. 2024 am finnischen Standort der Meyer-Werft in Turku entstehen. MSC Cruises lässt auf der STX-Werft in Frankreich bis zu vier LNG-Schiffe bauen, die voraussichtlich ebenfalls ab 2022 in See stechen werden. Weitere Neubauten mit Flüssigerdgas-Antrieb planen die Reedereien Costa Cruises, Carnival Cruise Line und P&O Cruises, die genau wie Aida Cruises alle zur Carnival Corporation gehören.
Ostsee-Fähren als Trendsetter
Etwas weiter ist die Entwicklung bereits bei Autofähren und RoRo-Frachtern: Seit 2012 verkehrt zwischen Finnland und Schweden die LNG-Fähre „Viking Grace“, 2013 und 2014 folgten die „Stavangerfjord“ und die „Bergensfjord“ auf Routen zwischen Dänemark und Norwegen. Seit Januar verbindet die LNG-Fähre „Megastar“ Finnland und Estland, noch in diesem Jahr folgt ein Schiff im Verkehr zur Ostsee-Insel Gotland. Und bis 2019 soll auf der Flensburger Werft FSG für die französische Reederei Brittany Ferries ein Schiff mit Flüssigerdgas-Antrieb gebaut werden. Auch im Westen Kanadas werden schon bald mehrere LNG-Fähren im Einsatz sein.
RoRo-Frachter mit LNG-Technik sind unter anderem für die norwegischen Reedereien Nor Lines und UECC (United European Car Carriers) sowie für die australische Searoad Shipping unterwegs – letztere ließ die „Searoad Mersey II“, die seit Ende 2016 zwischen Melbourne und der Insel Tasmanien verkehrt, ebenfalls von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) bauen. Über Tankschiffe mit LNG-Antrieb verfügen etwa die schwedischen Reedereien Terntank und Furetank sowie die niederländische Anthony Veder Group.
Ausstoß von Schadstoffen wird massiv reduziert
Hintergrund für die zunehmende Nutzung von LNG (Liquefied Natural Gas) als Schiffstreibstoff sind vor allem strengere Umweltvorschriften. Dies betrifft insbesondere die sogenannten Emission Control Areas (ECA), zu denen auch die Nord- und Ostsee zählen. Durch einen Umstieg von herkömmlichen Kraftstoffen auf verflüssigtes Erdgas können nach Angaben der Maritimen LNG-Plattform in Hamburg die CO2-Emissionen um bis zu 25 Prozent und die Schwefeloxid- sowie die Stickoxid-Emissionen um bis zu 100 Prozent reduziert werden. Die Versorgung von LNG-Schiffen mit Treibstoff erfordert allerdings spezielle Anlagen – und die fehlen in vielen Häfen noch.