Müll von Schiffen wird im Hafen entgegengenommen

„Anreize zur Entsorgung an Land erforderlich“

Müll und Abwasser von Schiffen landen oft noch immer direkt im Meer. Warum das Umsetzen von Regeln so schwer ist, erklären BSH-Experten im Interview.

Um den Zustand der Meere steht es nicht gut – das zeigen die Appelle der gerade gestarteten UN-Konferenz zum Schutz der Ozeane. Grund dafür ist unter anderem die übermäßige Vermüllung. Die meisten Abfälle stammen dabei zwar von den Küsten. Ein Teil wird aber auch von Schiffen aus illegal über Bord gekippt. Um dies zu verhindern, werden in den Häfen zunehmend Einrichtungen für eine fachgerechte Entsorgung bereitgestellt. Doch nicht überall funktioniert das System. Über die für Nord- und Ostsee geltenden Regeln sowie die Herausforderungen auf internationaler Ebene sprach Green Shipping News mit Dr. Susanne Heitmüller und Melanie Röh vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH).

Green Shipping News: Warum sind geeignete Hafenanlagen zur Aufnahme der Abfälle und Abwässer von Schiffen so wichtig?

BSH: Sie stellen letztlich die Grundvoraussetzung für eine fachgerechte Entsorgung an Land dar.

Green Shipping News: Theoretisch – nach Marpol-Regeln – ist das Entsorgen von Müll und sonstigen schädlichen Substanzen im Meer verboten. Wird dieses Verbot in der Praxis eingehalten?

BSH: Im Hinblick auf die Mülleinträge ins Meer, die unter anderem durch Spülsaum-Monitoring festgestellt werden, muss davon ausgegangen werden, dass mehr Schiffe Müll illegal ins Meer entsorgen, als durch die Hafenstaatkontrollen tatsächlich bekannt werden. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass insbesondere Plastikmüll vor allem auch von Land aus ins Meer eingebracht wird.

Green Shipping News: Welche besonderen Vorschriften gelten im Bereich von Nord- und Ostsee? Gibt es in allen deutschen Häfen hinreichende Auffangeinrichtungen?

BSH: Über das Marpol-Übereinkommen wurden in den Anlagen I, IV und V Sondergebiete ausgewiesen, in denen entweder generelle Einleitverbote oder strengere Einleitbedingungen gelten. Voraussetzung für die Einrichtung dieser Sondergebiete ist der Nachweis von ausreichend adäquaten Hafenauffanganlagen für den betreffenden Schiffsmüll oder Schiffsabwässer.

Die Nord- und Ostsee sind bereits seit vielen Jahren Sondergebiete nach Anlage I und V des Marpol-Übereinkommens und Deutschland hat in diesem Zusammenhang der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) die ausreichende Anzahl angemessener Hafenauffanganlagen notifiziert. Dies gilt mittlerweile ebenso für Hafenauffanganlagen für Schiffsabwässer nach Anlage IV des Marpol-Übereinkommens, die an dem Abwassersondergebiet Ostsee gelegen sind. Dessen Regelungen treten für neue Passagierschiffe am 1. Juni 2019 und für bereits gebaute Schiffe ab 1. Juni 2021 in Kraft.

Green Shipping News: Wie sieht es in anderen Ländern Europas sowie weltweit aus? Warum ist es so schwierig, auf globaler Ebene ein zufriedenstellendes System zu etablieren?

BSH: In Häfen der EU gilt die Hafenauffang-Richtlinie, die eine grundsätzliche Abgabepflicht von Schiffsmüll, ölhaltigen Abfällen und Abwasser vor Verlassen des Hafens vorsieht. Das Vorhalten von Hafenauffanganlagen ist teilweise allerdings mit kostenintensiven Investitionen verbunden, ohne dass deren Inanspruchnahme und damit deren Refinanzierung mittel- bis langfristig gesichert ist. Bei der Etablierung eines Systems auf globaler Ebene sind viele Faktoren zu berücksichtigen: unterschiedliche Infrastrukturen, differenziertes Schifffahrtsaufkommen, die Minimierung von Wettbewerbsverzerrung sowie unterschiedliche politische Strategien im Hinblick auf den maritimen Umweltschutz.

Green Shipping News: Wie kann gewährleistet werden, dass Betreiber von Schiffen bzw. Besatzungen ihre Abfälle nicht trotz allem einfach über Bord kippen?

BSH: Regelmäßige Kontrollen und angemessene Strafen sind in diesem Zusammenhang entscheidend. Ebenso wichtig sind jedoch auch Anreize seitens der Häfen, den Müll einfach an Land entsorgen zu können. Auch spielt häufig Unkenntnis bzw. schlechte Information der Seeleute eine nicht untergeordnete Rolle in der Ursachenkette. Daher ist Aufklärung und entsprechendes Training des Personals an Bord immer noch wichtig in diesem Kontext.

 

Weitere Informationen:
Initiativen der IMO zur Einrichtung von „Port Reception Facilities“
Ergebnisse eines Workshops der Baltic Ports Organization zu Hafenauffanganlagen
Positionspapier der Europäischen Seehäfen-Organisation zum Thema